Vitamine
" ........ Heute werden V. definiert als org. Substanzen, die zur Aufrechterhaltung von Gesundheit u. Leistungsfähigkeit des menschlichen Organismus notwendig sind u. mit der Nahrung zugeführt werden müssen. Es genügen täglich wenige mg, um die Verwertung der Nährstoffe (Kohlenhydrate, Fette, Eiweiß u. Mineralstoffe) zu regulieren. Jedes einzelne der V. erfüllt bes. Aufgaben, die von einem anderen V. nicht in gleicher Weise ausgeübt werden können........"

Für V.-ähnliche Verb., die noch nicht nachgewiesenermaßen essentiell für den Menschen sind, hat sich auch die Bez. Vitaminoide eingebürgert; Beisp.: b-Carotin, Liponsäure. Zu Beginn der V.-Forschungen (zur Entdeckungsgeschichte s. Lit. ) betrachtete man die V. noch zus. mit den Enzymen u. den Hormonen, weil diese drei Wirkstoff-Gruppen eine Gemeinsamkeit verband: Winzige Substanzmengen konnten große physiolog. Wirkung entfalten (Biokatalysatoren). Diese Betrachtungsweise ist heute überholt, seit man über die verschiedenartigen Wirkungsweisen der V. Bescheid weiß: Manche stellen Coenzyme bzw. prosthetische Gruppen von Enzymen dar, andere greifen in die Regulation des Stoffwechsels ein od. sind Hormone.

Nomenklatur: Früher wurden die V. auch gelegentlich Nutramine, Komplettine, Ergänzungsstoffe, akzessorische Nährstoffe genannt, weil die chem. reinen Eiweiße, Fette u. Kohlenhydrate erst durch das Hinzukommen von V. (u. von Mineralstoffen) zu vollwertigen Nährstoffen „ergänzt“ werden, doch sind diese Namen heute weitgehend verschwunden. Auch die Benennungen V. A, B, C, D usw. sind mehr ein Provisorium; sie hatten eine Berechtigung, solange man die chem. Zusammensetzung der einzelnen V. noch nicht kannte – sobald die Struktur eines V. aufgeklärt ist, kann man den chem. Namen der Verb. anstelle der Buchstaben anwenden. Konsequenterweise werden in diesem Lexikon die einzelnen V. mit ihren chem. u. physik. Eig., Nachw. u. Herst. im allg. unter den von der IUB empfohlenen Bez.  behandelt.

Die Bez. der V. nach dem Alphabet begann 1915, als in den USA 2 essentielle Bestandteile aus der Nahrung isoliert wurden, deren fettlösl. Fraktion mit A u. deren wasserlösl. mit B bezeichnet wurde. Die Einteilung in fettlösliche u. wasserlösliche V. (vgl. Abb.) hat sich bis heute als zweckmäßig erwiesen, da bestimmte biol. Eig. wie Vork., Speicherungsfähigkeit im Organismus, Transport- u. Ausscheidungswege sowie die Analytik davon abhängen.
Antivitamine: Zusätzlich zu den V. hat man auch Antivitamine definiert, worunter man Stoffe versteht, die die V.-Synth. u./od. den V.-Stoffwechsel stören. Bei diesen Vitamin-Antagonisten handelt es sich nicht – wie die Bez. Anti-V. vermuten lassen könnte – um Stoffe mit einer der des jeweiligen V. entgegengesetzten Wirkung, sondern um Antimetaboliten, die ein als Coenzym wirkendes V. dadurch ausschalten, daß sie es von seinem Apoenzym verdrängen, sich an seine Stelle setzen u. das Enzym dadurch hemmen (kompetitive Hemmung). Charakterist. ist, daß die Anti-V. durch höhere Dosen des entsprechenden V. ihrerseits wieder verdrängt werden. Stoffe, die ein V. chem. zerstören (wie z.B. Thiaminase das Vitamin B1), gehören somit nicht zu den Antivitaminen.

Ernährung: Die exogene Zufuhr der V. – im allg. im Bereich von mg/Tag bis mg/Tag – muß in einem wohlabgewogenen Verhältnis zueinander u. zum Bedarf, je nach Nahrung, Art, Geschlecht, Alter, Arzneimittelzufuhr u. äußeren Milieuverhältnissen erfolgen. Die Dtsch. Ges. für Ernährung hat Empfehlungen  zur durchschnittlichen Tageszufuhr (in den USA: RDA) veröffentlicht. Mangelhafte V.-Versorgung ruft je nach Art des fehlenden V. verschiedene spezif. V.-Mangelkrankheiten (Avitaminosen bzw. Hypovitaminosen) hervor, die unter den Namen Beri-Beri, Skorbut, Rachitis, Pellagra usw. schon lange bekannt sind. Angesichts der Ernährungslage der modernen Industriegesellschaft sind zwar Avitaminosen selten geworden, doch können Hypovitaminosen als Krankheitsfolge (z.B. bei Zerstörung der Darmflora durch Antibiotika) od. bei einseitiger Ernährung auftreten. In Einzelfällen kann es auch zu Überdosierungserscheinungen (Hypervitaminosen) kommen. Unzweckmäßige Behandlung der Lebensmittel kann zur drast. Red. des V.-Gehaltes führen. Eine bes. V.-schonende Art der Konservierung von Lebensmitteln ist das Tiefkühlen. Stellvertretend können Provitamine in den Lebensmitteln den V.-Bedarf decken, wenn der Körper Enzym-Syst. zu ihrer Umwandlung in V. besitzt.

Therapeut.: Die therapeut. z.B. in Geriatrika, Roborantien, Tonika eingesetzten V. werden entweder gezielt als Einzelsubstanzen gegeben od. als Multivitamin-Präparate [vgl.a. Vit(a)...]. Im Einzelfall ist nicht nur auf die Dosierung zu achten, sondern auch auf die Verträglichkeit mit ggf. gleichzeitig applizierten Arzneimitteln, die Resorption u. Stoffwechsel der V. beeinflussen können bzw. die ihrerseits durch V. in ihren pharmakolog. Eig. verändert werden. Prophylaxe läßt sich durch Vitamin(is)ierung der Nahrungsmittel erreichen, wobei die V. u. Provitamine als Zusatzstoffe gelten, deren Verw. durch die Verordnung über vitaminisierte Lebensmittel vom 1.9.1942 in der Fassung vom 31.8.1990 geregelt ist.

Bedeutung bei Tieren: Das V.-Verteilungsmuster ist artspezif., d.h. eine Substanz, die für eine Tierspezies V.-Charakter besitzt, kann für eine andere Spezies durchaus entbehrlich sein, vgl. das Beisp. des V. C bei L-Ascorbinsäure. Die Ursache ist in genet. bedingten Defekten zu suchen, u. in bezug auf die V. erweist sich der Mensch als ausgesprochene Defektmutante. Aber auch andere Tierarten benötigen V. zur Supplementierung ihrer Nahrung, insbes. in der Wachstumsphase. V. werden deshalb vielfach als Futtermittelzusätze eingesetzt.

Produktion: Die Mehrzahl der V. wird heute vollsynthet. hergestellt, andere macht die Biotechnologie zugänglich. Naturgemäß ist die Produktion der einzelnen V. sehr unterschiedlich hoch, wie die folgende Aufstellung aus Lit.  (Angaben in t/a weltweit) zeigt: A 2500, B1 1700, B2 2000, B6 1600, B12 12, Nicotinsäure 8500, Pantothensäure 5000, Biotin 2,7, Folsäure 100, C 40000, D 25, E 6800, K 1,3. Die V.-Preise liegen zwischen 4 US-$/kg für Nicotin- od. Pantothensäure u. 5000 US-$/kg für V. B12 od. Biotin.

Vitamin-A-Gruppe
Sammelbez. für die beiden fettlösl., isoprenoiden C20-Vitamine A1 u. A2 (Diterpenoide), die etwas unterschiedliche physiolog. Bedeutung haben. Chem. u. physikal. Eig., Nachw., Stoffwechsel, Vork. u. Herst. werden unter dem Trivial- u. internat. Freinamen Retinol behandelt. Zur Nomenklatur von V. A u. seinen Deriv., den Retinoiden, hat die IUPAC Empfehlungen ausgearbeitet .

Vitamin A1: V. A1 (Retinol) wird in der Leber gespeichert u. im Blut durch das Retinol-bindende Protein (RBP) transportiert. Nach Aufnahme ins Zellinnere wird es von einem zellulären Retinol-bindenden Protein (CRBP) gebunden, im Zellkern – möglicherweise nach Oxid. zu Retinoesäure (s. Tretinoin) – auf einen Retinoid-Rezeptor übertragen u. beeinflußt im Zusammenwirken mit diesem Desoxyribonucleinsäuren-bindenden Protein die Transkription. Es ist dadurch von großer Bedeutung für das Wachstum u. die normale Entwicklung des Menschen, für den Aufbau u. die Resistenz der Haut u. der Schleimhäute. Da V. A1 die Zellvermehrung reguliert, wird ihm eine Tumor-hemmende Wirkung nachgesagt .

Sein Fehlen ruft abnorme Hauttrockenheit, Sekretionseinschränkungen der Schweiß-, Tränen-, Talg- u. Magendrüsen, Gewichtsabnahme, Wachstumshemmungen, Minderung des Sauerstoff-Verbrauchs u. erhöhte Infektionsanfälligkeit hervor. Im Bereich der Augen findet man Verdickung der Hornhaut u. Austrocknung (Xerophthalmie, von griech. xeros = trocken u. ophthalmos = Auge) mit ggf. nachfolgender Erblindung, woraus sich der frühere Name Axerophthol für das therapeut. verwendete V. A1 erklärt. Am Sehprozeß (vgl. dort) ist V. A1 über sein Oxid.-Prod. V. A1-Aldehyd (Retinal) als prosthetische Gruppe des Rhodopsins beteiligt. Mangel an V. A resultiert infolgedessen auch in verminderter Fähigkeit zum Dämmerungssehen, Nachtblindheit u. gesteigerter Blendempfindlichkeit der Augen.

V. A-Hypervitaminose, d.h. übermäßige Aufnahme von V. A, kann ebenfalls zu Krankheitserscheinungen wie Kopfschmerzen, Übelkeit, in chron. Fällen Schlafstörungen, Appetitlosigkeit, Haarausfall, Knochenschwellungen an den Extremitäten usw. führen, die allerdings bei Entzug des V. wieder verschwinden. Akute Vergiftungen wurden z.B. bei Polarforschern nach dem Verzehr von bes. V. A-reicher Eisbärleber beobachtet, u. für V. A-Hypervitaminosen typ. Knochenveränderungen konnten selbst an 1,6 Mio. Jahren alten Skeletten entdeckt werden , was darauf schließen läßt, daß Raubtierleber ein wichtiger Nahrungsbestandteil des Homo erectus war.

Der V. A-Bedarf wird vorwiegend aus tier. Quellen (Leber, Fischölen, Milch, Butter, Eigelb) gedeckt. Als internat. Standard gilt die internationale Einheit (I. E.), die 0,30 mg V. A1 bzw. 0,344 mg krist. V. A1-Acetat, gelöst in Tocopherol enthaltendem Baumwollsaatöl, äquivalent ist. Jedoch kann die Dosierung auch nach Gew. erfolgen, da V A1 vollsynthet. hergestellt wird. Eine weitere Quelle ist das in Pflanzen reichlich vorkommende Provitamin b-Carotin, das zu ca. 50% in der Darmwand in 2 Mol. Retinol gespalten wird u. für das als internat. Standard festgelegt wurde: 1 I. E. Provitamin A entsprechen 0,6 mg b-Carotin. Als Tagesbedarf für V. A1 werden von der Dtsch. Ges. für Ernährung 2700 I. E. (0,8 mg) für Kinder u. 3000 I. E. (0,9 mg) für Erwachsene angenommen. Margarine als Nahrungsfett wird mit V. A1 angereichert. Bei der strahlenchem. Sterilisation von V. A1-Präp. bzw. bei der (in der BRD unzulässigen) Strahlungskonservierung von Lebensmitteln ist mit erheblichen V.-Verlusten zu rechnen.

Vitamin A2: V. A2 (3,4-Didehydroretinol, Dehydroretinol) kommt v.a. in der Leber von Süßwasserfischen vor u. ist auch über 3,4-Didehydroretinal am Aufbau von deren Sehfarbstoffen beteiligt. Die biol. Aktivität beträgt beim Menschen 40% der des V. A1.
Retinoide: Neben den V. A1 u. A2 kennt man noch zahlreiche Verb., die sich von diesen nur in der funktionellen Gruppe am endständigen Kohlenstoff-Atom u./od. durch cis-/trans-Isomerie an einer Doppelbindung unterscheiden. Diese sog. Retinoide sind aufgrund ihrer chem. Verwandtschaft zu Retinol definiert u. zeigen nicht allg. V. A-Aktivität. Die als V. A1-Metabolit auftretende Vitamin-A-Säure (Retinoesäure, internat. Freiname Tretinoin) kann Mißbildungen hervorrufen, weshalb bei Schwangeren die V. A1-Zufuhr 3,3 mg pro Tag nicht übersteigen sollte .

Geschichtl. zu V. A: Schon 1910 stellten Stepp, McCollum sowie Hopkins (Nobelpreis 1929) an V. A-frei aufgezogenen Versuchstieren Wachstumsstillstand u. Bindehautentzündungen fest, die sich durch Verfüttern von Lebertran, Butter od. Milch wieder beheben ließen. Der Zusammenhang zwischen dem Carotin-Gehalt von Nahrungsmitteln u. ihrer biol. Wirkung wurde 1919 von Steenbock entdeckt, u. um 1930 wurde das b-Carotin als Provitamin A erkannt, mit dessen Hilfe sich Avitaminosen heilen ließen. Vitamin A2 wurde 1937 von Morton aufgefunden. Die Struktur des V. A1 wurde 1931 von Karrer (Nobelpreis 1937) aufgeklärt u. seine Rolle beim Sehprozeß von Wald 1935. Isler u. Mitarbeitern gelang 1947 die erste Synth. des reinen krist. V. A1 u. Jones 1952 die von V. A2.

Vitamin-B-Gruppe
Sammelbez. für wasserlösl. V. unterschiedlicher chem. Konstitution, denen außer den eigentlichen B-V. (B1, B2, B6, B12), Biotin, Folsäure, Nicotinsäure(amid) u. Pantothensäure noch einige andere Stoffe (s. unten) mit ähnlicher pharmakolog. Wirkung zugerechnet wurden, obwohl sie keinen essentiellen V.-Charakter für den Menschen haben. Häufig werden alle genannten Verb. als Vitamin-B-Komplex zusammengefaßt. Nomenklaturempfehlungen gibt es für V. B6 (Lit. ) u. für V. B12 (Regeln für Corrinoide, Lit. ).

Vitamin B1: Das in seinem Vork., seinen chem. u. physik. Eig. bei Thiamin abgehandelte V. B1 ist das am längsten bekannte V., dessen Mangelerscheinungen (Beri-Beri-Krankheit) schon seit Jahrtausenden geläufig sind. Die Symptome sind Appetitlosigkeit, Erbrechen, Resorptionsstörungen, Müdigkeit, Polyneuritiden in Form von Muskelschwäche, Gefühllosigkeit, Lähmungen u. psych. Veränderungen wie Gedächtnisschwund, Verwirrtheit, Depressionen, außerdem Herzrhythmusstörungen u. Störungen des Wasserhaushalts. Die bei Alkoholikern zu beobachtende Polyneuropathie soll zu einem erheblichen Teil auf V. B1-Mangel, entstanden durch verminderte Resorption sowie mangelnde Nahrungszufuhr, zurückzuführen sein. Es ist anzunehmen, daß durch V. B1-Mangel periphere Durchblutungsstörungen u. Degenerationserscheinungen an den Markscheiden der Nerven u. an der weißen Hirnsubstanz ausgelöst werden. Bei der Ermittlung eines evtl. V. B1-Mangels ist der sog. Transketolase-Test nützlich , bei dem von der Aktivierbarkeit der Erythrocyten-Transketolase durch exogenes Thiamindiphosphat auf die Coenzym-Sättigung geschlossen wird. Durch Zufuhr hoher Dosen V. B1 – im allg. verwendet man das Chlorid-Hydrochlorid od. das Nitrat  – lassen sich B1-Avitaminosen beheben, es sei denn, daß bereits Schädigungen des Nervengewebes eingetreten sind.

Herzmuskel, Gehirn, Leber u. Nieren sind relativ reich an V. B1, weniger dagegen die Skelettmuskulatur. Im Körper wird V. B1 in das Coenzym Thiamindiphosphat (Näheres s. dort) umgewandelt. Die als Abbauprod. des V. B1 auftretenden Pyrimidine u. Thiazole stellen einen Gradmesser für den Thiamin-Stoffwechsel dar. Die Wirkung von V. B1 wird behindert durch L-Tyrosin, Brenzcatechin- u. Zimtsäure-Deriv. sowie einige synthet. Thiamin-Analoga. Eine sehr ausführliche Darst. der – noch immer nicht in allen Einzelheiten verstandenen – V. B1-Biochemie findet sich bei Lit. .

Da V. B1 am Abbau der Kohlenhydrate beteiligt ist, hängt der Bedarf stark von der Kohlenhydrat-Zufuhr ab. Bezogen auf den Nährwert liegt der Mindestbedarf für Erwachsene bei ca. 0,35 mg/5000 kJ; die WHO empfiehlt eine Aufnahme von 0,5 mg/5000 kJ, die Dtsch. Ges. für Ernährung 1,3 mg pro Tag für Erwachsene. Bei Kindern ist der Bedarf geringer, bei Schwangeren u. Stillenden höher. Die früher gebräuchliche internat. Einheit entsprach 3 mg Thiaminhydrochlorid. Überdosierungserscheinungen bei V. B1 sind sehr selten (Kreislaufkollaps), denn Überschüsse werden im Harn ausgeschieden, bei Zufuhr von >400 mg pro Tag auch über die Haut (typ. Körpergeruch), weshalb V. B1 zeitweilig als Insektenabwehrmittel propagiert wurde.

Geschichtl. zu V. B1 (vgl. Lit. ): Schon um 2600 v.Chr. war das Krankheitsbild der Beri-Beri-Krankheit in China bekannt, aber erst um 1882 erkannte der Japaner Takaki, daß man diese Krankheit durch zweckmäßige (V.-B-reiche) Ernährung heilen kann. V. B1-Mangeleffekte konnte Eijkman 1897 (Nobelpreis für Medizin od. Physiologie 1929) bei Hühnern durch Füttern mit poliertem Reis erzeugen u. durch Verfüttern der Silberhäutchen des Reises wieder beheben. Wegen seiner Nervenwirkung wurde V. B1 auch zunächst als Anti-Polyneuritis-Vitamin od. Aneurin bezeichnet, erhielt jedoch später von Windaus (1932) wegen seines Schwefelgehalts die Bez. Thiamin, die heute der einzig zulässige Name ist. Das Vitamin wurde 1926 erstmalig von Jansen u. Donath in krist. Form aus Reiskleie isoliert, die Struktur 1936 etwa gleichzeitig von R. R. Williams u. Grewe aufgeklärt u. die Synthese 1936 von R. R. Williams u. 1937 von Andersag u. Westphal bewerkstelligt.

Vitamin B2: Das in seinen chem. u. physik. Eig. hier unter seinem internat. Freinamen u. IUPAC-Namen Riboflavin abgehandelte V. B2 bildet in Form des Flavin-Adenin-Dinucleotids (FAD) u. des Flavinmononucleotids (FMN, s. Riboflavin-5'-phosphat) die Coenzyme bzw. prosthet. Gruppen der Flavoproteine, die in biol. Redoxsyst. eine wichtige Rolle spielen.
V. B2-Mangel ist charakterisiert durch Entzündungen der Mund- u. Rachenschleimhäute, Risse in den Mundwinkeln, Juckreiz u. Entzündungen in den Hautfalten u. ähnliche Hautschäden, Bindehautentzündungen, verminderte Sehschärfe u. Trübung der Hornhaut. Bei Säuglingen u. Kindern können ggf. Wachstumsstillstand u. Gewichtsabnahme eintreten, weshalb Riboflavin früher auch als Wachstumsvitamin bezeichnet wurde. Wegen der weiten Verbreitung des V. B2 im Tier- u. Pflanzenreich – es kommt bes. reichlich in Hefe, aber auch in Leber, Eiern, Milch, Weizenkeimen, grünen Gemüsen, Kartoffeln u.v.a. Lebensmitteln vor u. wird auch von den Darmbakterien synthetisiert – ist in den entwickelten Ländern ein reiner V. B2-Mangel selten.

Das Riboflavin des tier. Organismus ist zu 70–90% als FAD, zu 5–30% als FMN u. zu 0,5–2% als freies Riboflavin enthalten; V. B2 wird im Dünndarm resorbiert, in FMN übergeführt u. in der Leber in FAD umgewandelt. Die Ausscheidungsmenge im Harn variiert mit der Aufnahmemenge. Liegt diese unter 1 mg täglich, so werden ca. 10% ausgeschieden, bei 1,5 mg sind es 20% u. bei 5–11 mg ca. 60%. Von der WHO wird eine tägliche Einnahme von 0,7 mg/5000 kJ beim Erwachsenen empfohlen; dieser Bedarf wird mit normaler Nahrung voll gedeckt. Überdosierungserscheinungen sind nicht bekannt. Ein internat. Standard für V. B2 ist nicht festgesetzt worden; zur Prüfung s. Lit. . Als klin. Parameter des V. B2-Bedarfs gilt die Aktivierbarkeit der Erythrocyten-Glutathionreductase (s. Glutathion) durch exogenes FAD.

Ein Stereoisomeres des V. B2 mit Arabit anstelle von Ribit in der Seitenkette (Lyxoflavin) wurde aus menschlichem Myocard u. Fischmehl isoliert u. hat wachstumsfördernde Eig. bei Verw. in Viehfutter. Synthet. Analoga mit Kohlenstoff od. Schwefel anstelle von Stickstoff-Atom 5 wirken dagegen als Antimetaboliten. Zur V. B2-Best. in Lebensmitteln mittels HPLC s. Lit. . Die Herst. erfolgt durch bakterielle Fermentation.

Geschichtl. zu V. B2: R. Kuhn u. György isolierten 1933 kristallisierbares V. aus Eiern u. nannten es Ovoflavin. Aus Molke wurde ebenfalls 1933 von Ellinger u. Koschara ein gelber Farbstoff (Lactoflavin) gewonnen, u. im gleichen Jahr erhielten Karrer u. Mitarbeiter sog. Hepatoflavin aus tier. Organen u. Pflanzen. Nach Feststellung der Identität der 3 Stoffe konnte die Struktur des nunmehr Riboflavin genannten V. von Kuhn bzw. Karrer 1935 aufgeklärt werden. Beiden Arbeitskreisen gelang im gleichen Jahr unabhängig voneinander auch die Synthese.

Vitamin B6: Hierunter versteht man heute keine einheitliche Substanz, sondern die drei Deriv. des 5-Hydroxymethyl-2-methyl-3-pyridinols, die in ihren chem. u. physik. Eig. unter Pyridoxal, Pyridoxamin u. Pyridoxin abgehandelt sind. Häufig findet man in der älteren Lit. noch „Pyridoxine“ als Sammelbez. für die drei Verbindungen. Zur Nomenklatur s. Lit. .

Pyridoxal-5'-phosphat (Näheres s. dort) ist Cofaktor beim Glykogen-Abbau u. im Aminosäure-Stoffwechsel, z.B. als Coenzym von Decarboxylasen („Codecarboxylase“). Diese sind z.B. für die Synth. der biogenen Amine notwendig; ihr Fehlen hat Störungen im Nervensyst. zur Folge. Darüber hinaus sind V. B6-Mangelerscheinungen recht unterschiedlich u. wenig spezifisch. Beispielsweise können Entzündungen mit Schuppenbldg. an Haut u. Schleimhäuten bes. von Mund u. Augen auftreten, ferner anäm. Erscheinungen, Störungen des Nervensyst. wie Reizbarkeit, Depressionen, Schläfrigkeit, Appetitlosigkeit, Wahrnehmungsstörungen, bei Säuglingen Schreckhaftigkeit u. gelegentlich epilepsieartige Krämpfe. V. B6-Mangel wird auch mit dem Auftreten des sog. „China-Restaurant-Syndroms“ (s. NatriumL-glutamat) in Verb. gebracht (Lit. ). Echte V. B6-Avitaminosen lassen sich nach Gabe von L-Tryptophan im Harn leicht nachweisen durch das Auftreten der Xanthurensäure [4,8-Dihydroxychinolin-2-carbonsäure, C10H7NO4, MG. 205,16, gelbe Krist., Schmp. 286°, unlösl. in Wasser, lösl. in Alkalihydroxiden u. verd. Salzsäure, gibt mit Eisen(II)-sulfat eine kolorimetr. bzw. photometr. meßbare grüne Färbung].

Ernährungsbedingte Mangelerscheinungen lassen sich durch V. B6-Gaben beheben, Überdosierungssymptome sind nicht bekannt. Das aus der Nahrung – bes. aus Salm, Leber, Hefe, Bananen, Getreide, Gemüsen – aufgenommene V. B6 wird im oberen Teil des Dünndarms resorbiert u. in den Geweben, insbes. in Gehirn, Leber u. Nieren, enzymat. in Pyridoxamin- u. Pyridoxal-5'-phosphat überführt u. gespeichert. Als Abbauprod. erscheint im Harn neben unveränderten Pyridoxinen 4-Pyridoxsäure. Zu Störungen des V. B6-Stoffwechsels s. Lit. .

Der V. B6-Bedarf steigt mit erhöhter Proteinaufnahme. Als optimale tägliche Zufuhr werden 2 mg angesehen; in der Schwangerschaft ist der Bedarf erhöht, während er bei Säuglingen mit 0,1–0,5 mg pro Tag, bei Kindern u. Jugendlichen mit 1,5 mg pro Tag niedriger liegt. Im allg. enthalten V. B6-Präp. Pyridoxin-Hydrochlorid , gelegentlich auch alle 3 Pyridin-Derivate. In hohen Dosen wirkt V. B6 auch gegen Erbrechen, wobei ein sedierender Effekt zum Zuge kommt.

Geschichtl. zu V. B6: Von György 1934 unternommene Fütterungsversuche an Ratten, die eine V. B-Komplex-freie Diät erhielten, resultierten in vermindertem Wachstum u. einer Pellagra-ähnlichen Dermatitis an den Extremitäten, weshalb der vermutete Wirkstoff zunächst den Namen Antidermatis-V. od. Adermin erhielt. 1938 wurde von verschiedenen Arbeitsgruppen das Pyridoxin krist. erhalten, dessen Konstitution unabhängig voneinander Folkers u. R. Kuhn 1939 aufklärten. Die beiden verwandten Wirkstoffe Pyridoxal u. Pyridoxamin wurden 1942 von E. E. Snell gefunden.

Vitamin B12-Gruppe: Diese V. mit der komplizierten Struktur (vgl. Abb.) sind halbsystemat. Cobalamine genannte Cobalt(III)-haltige Corrinoide (zu deren Nomenklatur s. Lit. ). Unter V. B12 schlechthin versteht man im allg. das Cyanocobalamin, das bei der Isolierung aus dem natürlich vorkommenden Coenzym B12 in Ggw. von Cyanid-Ionen od. aus im Fall von Blausäure-Vergiftungen als Antidot injiziertem Hydroxocobalamin entsteht. Die chem. u. physik. Eig. werden deshalb bei Cyanocobalamin behandelt, von dem ausgehend verschiedene Deriv. hergestellt werden können, z.B. Aquacobalamin (V. B12a, H2O+– statt CN–), Hydroxocobalamin (V. B12b, HO– statt CN–) u. Nitritocobalamin (V. B12c, ONO– statt CN–), ferner reduziertes Cob(II)- u. Cob(I)alamin (V. B12r bzw. V. B12s, s. Cobalamine) sowie mit den Cobalt-Nukliden 57Co u. 58Co radioakt. markiertes Cyanocobalamin ; weitere Deriv. s. bei Lit. . V. B12 wird heute biotechnol. mit Hilfe von Bakterien produziert.

Ausreichende V. B12-Zufuhr ist v.a. für die normale Blutbldg. erforderlich, außerdem für die Funktion der Nervenzellen u. – insbes. in der Tierfütterung – für das Wachstum. Als sog. extrinsic factor bildet V. B12 mit dem von der Magenschleimhaut gebildeten intrinsic factor einen Komplex, der im unteren Teil des Dünndarms (Ileum) resorbiert wird u. der das sog. antiperniziöse Prinzip darstellt. Im Blut wird V. B12 durch zu den a-Globulinen gehörende sog. Transcobalamine (TC) transportiert. Cobalophilin (früher: TC I) ist dabei Zwischen-Überträger zum eigentlichen TC (früher: TC II). Bei einem Mangel an V. B12 ist die Entwicklung der Erythrocyten im Knochenmark gestört; sie bleiben auf einer embryonalen Stufe stehen unter Bldg. von sog. Megaloblasten, d.h. bes. großen, Hämoglobin enthaltenden Zellen mit Zellkern. Bei dem resultierenden Krankheitsbild, der megaloblastären od. perniziösen Anämie od. Perniziosa, beobachtet man im Blutbild Hyperchromie sowie Entzündungen an der Zunge, mangelhafte Magensäurebldg. u. Veränderungen im Rückenmark, die über leicht nervöse Störungen (Kribbeln) bis zu schweren Lähmungen führen können. Die Perniziosa konnte merkwürdigerweise an den üblichen Versuchstieren (Affen, Hunden, Kaninchen, Ratten) bislang nicht hervorgerufen werden.

V. B12-Mangelerscheinungen können bei Vegetariern auftreten, da Pflanzen so gut wie kein V. B12 enthalten. Als Tagesdosis für Erwachsene werden von der Dtsch. Ges. für Ernährung 5 mg empfohlen. Überdosierungserscheinungen sind nicht bekannt. Als Einheit gilt das Substanzgew. od. die sog. LLD-Einheit, die sich auf das nephelometr. verfolgte Wachstum von Lactobacillus lactis Dorner bezieht: 1 mg V. B12=11000 LLD-Einheiten. Zur Biosynth. von V. B12 – aus 5-Amino-4-oxovaleriansäure (pentansäure) (d-Aminolävulinsäure) über Uroporphyrinogen (s. Porphyrine) zum Corrin-Syst. (Lit. ) – sind nur Mikroorganismen in der Lage, z.B. die der Darmflora von Weidetieren.

Am Stoffwechselgeschehen des Menschen sind zwei V. B12-Deriv. als Coenzyme B12 beteiligt, u. zwar (in Klammern die von der WHO vorgeschlagenen internat. Freinamen) Methylcobalamin (Mecobalamin) u. 5'-Desoxyadenosylcobalamin (Cobamamid). Eine wichtige Funktion des ersteren ist seine synergist. Wirkung zu der früher auch als Vitamin B9 bezeichneten Folsäure innerhalb des Ein-Kohlenstoff(C1)-Stoffwechsels bei der Bldg. von L-Methionin. Cobamamid spielt im Organismus bei der Red. der Ribonucleotide sowie bei Umlagerungen mit Wasserstoff-Wanderung eine Rolle. Ein Mangel an V. B12 gibt sich frühzeitig durch hohe Konz. von Methylmalonsäure im Harn zu erkennen, da die Isomerisierung von Methylmalonyl-Coenzym A zu Succinyl-Coenzym A – ein Schritt im Propionsäure-Stoffwechsel – wegen des Fehlens von Cobamamid ausbleibt.

Geschichtl. zu V. B12: Die Heilwirkung roher Leber bei perniziöser Anämie wurde zwar schon 1926 von Minot u. Murphy entdeckt, u. in der Folge wurden Leberpräp. [vgl.a. Hep(a)... u. Leber] entwickelt, die den vermuteten Wirkstoff (Antiperniziosa-Faktor) in immer höherer Konz. enthielten, doch gelang es Folkers sowie E. L. Smith erst 1948, den Wirkstoff in roter, krist. Form aus der Leber u. später auch aus Milch u. aus Fermentationsbrühen von z.B. Streptomyces griseus zu isolieren. Die Konstitutionsaufklärung gelang 1955 den Arbeitsgruppen von Todd, E. L. Smith u. Crowfoot-Hodgkin (Röntgenstrukturanalyse 1956). Totalsynth. wurden 1971 nach elfjähriger Arbeit von den Arbeitsgruppen um Eschenmoser u. Woodward abgeschlossen.

Biotin: Das heute – wenn überhaupt als V. – meist als V. B7 zu den B-V. gezählte, aber auch V. H genannte Biotin ist mit seinen chem. u. physik. Eig. unter dem letztgenannten Trivialnamen zu finden, wo auch auf seine Geschichte u. Bedeutung im Stoffwechsel eingegangen wird.
Da Biotin in der Nahrung ausreichend vorkommt u. außerdem in größeren Mengen von der Darmflora gebildet wird, sind Mangelkrankheiten nur bei spezif. Stoffwechselstörungen zu beobachten. Allerdings kann auch durch überreichlichen Genuß von rohem Eiklar ein Biotin-Mangel erzeugt werden, da das in diesem vorhandene Avidin mit Biotin einen nicht resorbierbaren Komplex bildet, der von den Enzymen des Magen-Darm-Traktes nicht gespalten werden kann (Avidin als Biotin-Antagonist). Bei Biotin-Mangel können Seborrhoe, Dermatitis, Appetitlosigkeit, Muskelschmerzen, Müdigkeit u. nervöse Störungen auftreten. Auf seinen Einfluß auf die Beschaffenheit der Haut geht auch der Name V. H (Hautvitamin) zurück. Der Tagesbedarf an Biotin wird von der Dtsch. Ges. für Ernährung mit 75 mg bei Kindern u. 150 mg bei Erwachsenen angegeben. In der Histochemie, Biotechnologie u. im Immunoassay nutzt man die selektive Bldg. des Biotin-Avidin-Komplexes zur Immobilisierung (Wilchek-Bayer-Methode), Markierung u. Identifizierung von Proteinen, Antikörpern u. Enzymen .

Folsäure: Die jetzt ungebräuchlichen Bez. V. B9, V. Bc od. V. M wurden früher für die mit ihren chem., physik. u. physiolog. Eig. unter Folsäure (Folat) behandelte Pteroyl-L-glutaminsäure gebraucht; s. dort u. bei Tetrahydrofolsäure (H4Folat) auch zu ihrer Rolle im Ein-Kohlenstoff(C1)-Stoffwechsel u. zu ihrer bes. Bedeutung für die Biosynth. der Desoxythymidinphosphate. Neben Folat u. H4Folat werden zur Folsäure-Gruppe (auch: Folate im allg. Sinn, Folacin) noch Dihydrofolsäure (H2Folat) u. mit C1-Gruppen substituierte Deriv. sowie Konjugate mit bis zu 9 weiteren L-Glutaminsäure-Resten in g-Isopeptid-Bindung (Pteroylpoly-g-L-glutaminsäuren, PteGlu2 bis PteGlu10) gezählt. Zur Nomenklatur s. Lit. .

Mit zunehmender Anzahl von L-Glutaminsäure-Resten pro Mol. werden die Folsäure-Deriv. jedoch schlechter resorbierbar u. sind daher für den Zellstoffwechsel nicht verfügbar. Der Transport zur Leber erfolgt als Folat (PteGlu); dort wird es in eine akt. Coenzym-Form überführt (5-Methyl-H4Folat), die mittels eines sog. Folsäure-Bindungsprotein (engl.: folic acid-binding protein, FABP) od. andere Serum-Proteine im Blut zu den übrigen Organen transportiert wird. Der Tagesbedarf des Erwachsenen beträgt etwa 200 mg an bioverfügbarem Folat. Bei Folat-Mangel, der häufig auch in Industrieländern u. v.a. bei Schwangeren beobachtet wird, ergeben sich anäm. Erscheinungen mit gestörter Erythrocyten-, Granulocyten- (s. Leukocyten) u. Thrombocyten-Bildung. Best. durch mikrobiol. u. Radioisotopen-Methoden .

Geschichtl. zu Folsäure: 1930 Entdeckung eines von V. B12 verschiedenen antianäm. Faktors in Hefeextrakt durch Wills. Konstitutionsaufklärung u. Synth. der Folsäure gelangen Angier 1946; es folgte die Erkennung der Cofaktor-Funktion der Folsäure-Derivate.
Nicotinsäure(amid): In unspezif. Weise wurden früher sowohl die Nicotinsäure als auch das Nicotinsäureamid, deren chem. u. physik. Eig. bei den betreffenden Stichwörtern abgehandelt sind, als V. B3 bezeichnet. Im folgenden werden die Substanzen mit ihren Freinamen Nicotinsäure u. Nicotinamid benannt; weiterhin sind auch die Bez. Niacin (als Oberbegriff) u. Niacinamid (für Nicotinamid) geläufig........."

Quelle: CD Römpp Chemie Lexikon – Version 1.0, Stuttgart/New York: Georg Thieme Verlag 1995
 

Nicotinsäure(amid): In unspezif. Weise wurden früher sowohl die Nicotinsäure als auch das Nicotinsäureamid, deren chem. u. physik. Eig. bei den betreffenden Stichwörtern abgehandelt sind, als V. B3 bezeichnet. Im folgenden werden die Substanzen mit ihren Freinamen Nicotinsäure u. Nicotinamid benannt; weiterhin sind auch die Bez. Niacin (als Oberbegriff) u. Niacinamid (für Nicotinamid) geläufig.

Nicotinamid als Bestandteil des Nicotinamid-Adenin-Dinucleotids (NAD) u. dessen Phosphats (NADP) ist einer der wichtigsten Wasserstoff-Überträger in der Zelle. NAD(P) ist als Coenzym an zahlreichen Hydrierungen u. Dehydrierungen beteiligt, z.B. beim Auf- u. Abbau der Aminosäuren, Fette u. Kohlenhydrate, im Citronensäure-Zyklus u. in der Atmungskette. Die Nicotinamid-Hypovitaminose ist unter dVitamine

Von Funk 1912 aus lat.: vita = Leben u. Amin geprägte Bez., die sich zunächst auf das als „lebensnotwendiges Amin“ erkannte Thiamin (V. B1) bezog u. die später auf alle Verb. ähnlicher Bedeutung ausgedehnt wurde, obwohl diese in den meisten Fällen keine Amine u. chem. sehr uneinheitlich sind.